Energie-Karussell dreht sich weiter – Für die meisten gilt: Ruhe bewahren!

Dennis Dreier vom Fachunternehmen Husmann und Dreier aus Buxtehude, hat den Platz des Obermeisters 2022 von seinem Innungskollegen Jens Schröter übernommen.

 

Fast täglich flattern bei Fachunternehmen neue Informationen zur Energiewende ein. „Ob der Paukenschlag zum 65%-Gesetz, Verbot von gasförmigen PFAS Kühlmitteln bei Wärmepumpen oder kleinere Bürokratiemonster – kein Tag bleibt ohne Überraschung,“ so der neue Obermeister der Handwerksinnung für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik Dennis Dreier. Doch er rät zur Gelassenheit: „Über den Neubausektor machen wir uns kaum Sorgen, dort haben wir Niedrig-Energiebauten, die das Klimaziel ohne Mühen bewältigen.“ Auch Menschen mit Gebäuden, die noch mit einer lauffähigen Heizung ausgestattet sind, müssen nicht kurzfristig handeln und können ganz in Ruhe schauen, ob und wann Maßnahmen ergriffen werden müssten. „Dafür ist noch 22 Jahre lang Zeit – sofern die Heizung läuft.“

Heizung ist alt oder defekt – Ruhe adé.

Einzig der Fall, wenn die Gas- oder Öl-Heizung irreparabel defekt ist, haben wir ein Dilemma – auch bei Habecks gut gemeinten Übergangsfristen und „wir lassen niemanden allein“: „Machen wir uns nichts vor – dann wird es teuer, denn, wenn die Heizung tot, ist müssen wir, stand heute, eine neue Gas oder ÖL-Heizung einbauen, auch wenn wir es gerne anders wollen würden. Auf neue Wärmepumpen warten wir derzeit über 12 Monate.“ Und da liege in Habecks Gesetz der Hund begraben: „Wir bauen dann eine Gas- oder Öl-Heizung ein – als Übergangslösung – bis die neue Wärmepumpe lieferbar ist und eingebaut werden kann. Für die Wärmepumpe haben wir 3 Jahre Zeit. Das heißt aber, dass der Kunde doppelt in die Brieftasche greifen muss. In einem theoretischen Standardfall sind das über den Daumen gerne 15.000€ für die neue Gas/Öl-Heizung und dann nach spätestens 3 Jahren nochmal 30.000€ für die neue Wärmepumpe.

Blick auf die Betriebskosten.

Auch wenn man bis 2045 bei Gas und Öl bleiben kann – „halten Sie die Betriebskosten im Blick, sollte es dort zu unüberbrückbaren Energie-Explosionen kommen, gibt es eine Reihe an Maßnahmen, die neben der Wärmepumpe – förderfähig – gewerkeübergreifend umgesetzt werden können,“ so Dreier.  Das hätte aber nicht den Zugzwang der 65%-Regel, sondern den der Ressourcenkosten.

Wasserstoff ist das die Zukunft?

Die neuen Gasheizungen seien fast alle schon „H2-Ready“, also auf Wasserstoff umrüstbar, Gasnetze und-Geräte sind im Landkreis Stade aber gerade von L-Gas (niedrigerer Brennwert) auf H-Gas (hoher Brennwert) umgestellt worden. Für Wasserstoff oder anderes grünes Gas muss also wieder umgestellt werden. „Das müsste die Politik steuern und mit großem Willen vorantreiben, ansonsten bleibt es vermutlich eine Nischenlösung,“ vermutet Dreier.

Mangel an der Ressource Mensch

Die größte Herausforderung. Einen Fachbetrieb finden, der die Umstellung zeitnah meistern kann – Dreier rechnet mit Wartezeiten von 6 bis 12 Monaten für Neukunden. „Wer also Lust hat, seinen Teil zum Klimaziel beizutragen, kann eine Ausbildung zum SHK’ler, Elektroniker, Dachdecker, Tischler und co. machen – die Zukunft ist sicher – sicher!“          

Nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen - Dank Energieberater oder Fachunternehmen einen Überblick behalten.

Wer mehr als eine Maßnahme oder mehr als ein Gewerk in seine Pläne aufnimmt, sollte vorher entweder ein Handwerksunternehmen kommen lassen, das einen gewerkeübergreifenden Blick auf das Objekt wirft oder einen Energieberater aufsuchen, der auch die Förderungen im Blick hat. Die Kosten für den Energieberater sind förderfähig.

Natürlich kann man das vorgeschriebene Ziel der 65% erneuerbaren Energien mit dem Austausch der Wärmepumpe „schnell“ (Lieferzeiten von über 12 Monaten keine Seltenheit) und einfach erledigen. Welche Energie-Maßnahmen sinnig sind, um das Haus im gesamten energieärmer umzubauen – zeigen unsere Fachexperten aus der Baubranche. 

Frage: Macht eine Photovoltaik Anlage Sinn? (Ingo Fischer – Tageblatt Artikel)

tageblatt.de/lokales/landkreis-stade_artikel,-ein-jahr-vorlaufzeit-für-den-einbau-von-photovoltaikanlagen-im-kreis-stade-_arid,2830928.html?fbclid=IwAR0gpP9y2Vg4fhB9mDs7YVJjxkAXUtp-8Iq-VdYIk-z_D9weAIkFmLU9gwM

Foto: Tageblatt-Fehlbus

Der Umstieg auf Wärmepumpe heizt auch die Nachfrage nach Photovoltaik an, denn diese macht aus Strom Wärme. „Es muss einem aber bewusst sein, dass man mit einer Wärmepumpe mit Strom heizt, der circa 40 Cent pro Kilowattstunde kostet“, sagt Fischer. Deshalb wird die Wärmepumpe oft sinnvollerweise mit einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage) kombiniert – am besten noch mit Speicher. Wird es im Winter zu kalt, springt der für diesen Fall eingebaute Heizstab in der Heizungsanlage an. „Der zieht dann richtig Strom“, sagt der Fachmann. „Viele denken, mit einer PV-Anlage plus Speicher ist man unabhängig“, sagt Heiko Fischer, „aber im norddeutschen Winter klappt das nicht.“ Am höchsten ist der Ertrag in den Sommermonaten, im Winter bricht der Balken fast weg. Damit kommt es auch maßgeblich darauf an, wie das Haus gedämmt ist. Die Bundesregierung macht nun zeitlich Druck – es ist also gar nicht unklug, bereits vor dem Wechsel auf eine Wärmepumpe eine PV-Anlage zu installieren. Bei allen, die dafür keinen Platz haben oder keine „Entscheidungsgewalt“, sind Balkonkraftwerke sicherlich eine gute Alternative für kleine Stromeinsparungen.

Seit 1.1.23 spart man sich aber die Mehrwertsteuer von 19% auf PV-Anlagen, Balkonkraftwerke und Speicher und es gibt eine einheitliche Preisvergütung, der ins öffentliche Netz eingespeist wird – ca. 8 Cent pro kWh.

 

Balkonkraftwerke

von 600kWh auf 800kWh? PV-Ablagen für die Steckdose. Wer keinen Platz oder Eigentum hat, kann auf moderne Balkonkraftwerke zurückgreifen. Konkret könnte ein Balkonkraftwerk 600, wie der Name schon sagt, im besten Falle 600 kWh im Jahr produzieren. Hier laufen Kosten bei der Anschaffung im Schnitt von 500 € auf. Obacht: Es ist nur ein Balkonkraftwerk pro Wohnung erlaubt und ist auf 600 kWh begrenzt. Der Bund führt gerade Gespräche, die eine Steigerung auf 800kWh erlauben würden.

Frage: Welchen Schritt mache ich zuerst?

Andreas Brahmst, Geschäftsführer der Günter Brahmst Dachdeckerei Stade-Ottenbeck, ist neuer Obermeister der Dachdecker-Innung Stade und krempelt jetzt die Ärmel hoch: „Ich möchte als Obermeister für die Dachdecker viel bewegen.“

 

Obacht – Die Bauphysik verändert sich bei planloser Dämmung:

Wer ein Haus im Bestand verändert, muss das Raumklima im Blick haben „Da können wir vorher hin und her rechnen – wie das Haus reagiert, wenn es von oben bis unten eingepackt ist, sehen wir manchmal erst danach“, so Dachdeckermeister und neuer Obermeister der Dachdecker-Innung Stade Andreas Brahmst. Besonders in alten Häusern komme es beim Sanieren zu Überraschungen: „Sind alte Materialien mit Asbest oder anderen Chemikalien verunreinigt, muss ein aufwendiger Prozess eingeleitet werden, das wird teuer und zeitintensiv.“ Umso genauer sollte man sich das Handwerksunternehmen aussuchen. Brahmst empfiehlt: „Profis schauen von Anfang an ganz genau hin, um genau diese Überraschungen zu vermeiden.“

Frage: Was kann ich außer der Heizung noch tun, um Energie zu sparen? Immer erst einen Blick auf die Gebäudedämmung

Thilo Klintworth ist staatlich geprüfter Holztechniker aus Helmste. Er ist im erweiterten Vorstand der Tischler-Innung Stade und arbeitet im Familienbetrieb Jörg Klintworth Tischlerei Helmste gemeinsam mit seinem Bruder Nils.

 

Meist kann man mit dem Austausch von Fenster und Türen schon sehr viel bewirken, so Holztechniker Thilo Klintworth. Je weniger Verbrauch, desto weniger Kosten – egal welches System. Fenster und Türen sind einer der Wärmekiller im Bestandshaus. „Wer über eine neue Heizung nachdenkt, sollte auch einen Blick auf seine Fenster und Türen werfen,“ so Holztechniker Thilo Klintworth von der Tischlerei Klintworth, Helmste. Für diese Sanierungsmaßnahme gibt es von der BAFA-Zuschüsse – auch in Kombination mit weiteren Maßnahmen aus Dach, Wänden, Rollläden, Fenster und Türen gibt es nochmals mehr vom Staat. Innenraumtüren, die die Wärme in den Räumen halten, wo sie bleiben soll, können auch nochmal Energiesparpotential bringen. „In allen Fällen haben wir hier sofort eine konkrete Minderung des Energieverbrauch,“ so Klintworth. Aber auch hier gilt einen Blick auf das gesamte Raumklima zu werfen, damit sich im Nachgang keine Feuchtigkeit staut.

Frage: Was mache ich bei Mehrparteienhäuser und Gewerbeobjekte?

Dennis Dreier empfiehlt: „Diese Gebäude benötigen höheren Beratungsbedarf – hier längere Vorlaufzeiten einplanen. Das auch diese Gebäude unter die 65% Regelung fallen, ist leider kein Aprilscherz.“ Hier gäbe es lediglich etwas andere zeitliche Vorgaben. Damit lasse sich die Brisanz aber nicht mildern: „Es fehlt schlicht an echten Alternativen zu Gas- und Ölheizungen.“ Es seien deutlich mehr rechtliche Rahmenbedingungen zu erfüllen und zu beachten (Lärmschutz, Schutz vor Vandalismus usw.). Zudem schnellen die Anschaffungskosten und Betriebskosten mit der Leistungsanforderung der Wärmepumpe exorbitant in die Höhe. Dreier sieht hier noch keine praktische Lösung für den Massenumbau und fordert: „Wunschvorstellung und Realität klaffen hier weit auseinander. Nachsitzen für Habeck und co,“ resümiert der SHK-Meister.  

Kreishandwerkerschaft Stade
Kreishandwerkerschaft Stade

Authorin: Kim Katharina Koch, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit

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