Freisprechung der Dachdecker in Stade: Ziegelstaub und Zukunftsvisionen, fünf neue Dachdeckergesell*innen mit drei Betriebsnachfolgern.

Am Freitag, den 13. September 2024 zog das Glück bei 5 neuen Dachdeckergesell*innen ein. Mit der Übergabe der Gesellenbriefe, der Entlassung aus dem Lehrverhältnis und der Freisprechung von den Azubipflichten starten die jungen Handwerker*innen nun in ein „Leben voller Zufriedenheit, denn auch wenn die Tage mal anstrengend sind oder große Herausforderungen auf euch warten, das Handwerk wird für euch immer ein Zuhause sein,“ resümiert Obermeister Andreas Brahmst aus Jahrzehnten Berufserfahrungen. Die Gesellenbriefe wurden feierlich überreicht, und die Redner machten klar: Das Dachdeckerhandwerk bietet nicht nur eine solide Basis, sondern auch vielfältige Chancen für die Zukunft.

Foto: Vier, der fünf Absolvent*innen nahmen ihre Gesellenbriefe entgegen, einer entschuldigte sich krankheitsbedingt. Vl. Tim Felix Holst, Laura Marie Ehlert, Marian Fittschen und Tom Wagner

Absolvent*innen 2024:

– Frau Laura Marie Ehlert, Tiste, Fittschen Bedachungen GmbH & Co.KG, 21644 Sauensiek 

– Herr Marian Fittschen, Sauensiek, Fittschen Bedachungen GmbH & Co.KG, 21644 Sauensiek 

– Herr Tom Felix Holst, Horneburg, Fittschen Bedachungen GmbH & Co.KG, 21644 Sauensiek 

– Herr Calvin Joel Miller, Buxtehude, Dachdeckerei Kühn GmbH & Co.KG, 21640 Horneburg 

– Herr Tom Wagner, Horneburg/Neuenkirchen, Tobias Holst, 21640 Horneburg 

Brahmst beglückwünschte den neuen Gesell*innen und unterstrich, wie hart sie für diesen Moment gearbeitet haben. „Ihr habt etwas Großartiges geleistet. Nur sieben von zehn Azubis schaffen es bis zur Prüfung, 6 bestanden schlussendlich – und ihr gehört zu denjenigen, die es gepackt haben“, lobte Brahmst die Absolventen. Dabei hob er hervor, wie sich das Handwerk stetig weiterentwickelt: „Das Wissen im Dachdeckerhandwerk hat sich über Jahrzehnte verändert. Es ist heute umfassender und anspruchsvoller denn je – von traditionellen Techniken bis hin zur modernen Photovoltaik. Ihr seid in der Lage, all diese Bereiche zu meistern und habt damit eine starke Grundlage für eure berufliche Zukunft.“

Brahmst betonte auch die Wichtigkeit, im Beruf weiterhin dazuzulernen. „Lebenslanges Lernen ist in unserem Handwerk kein Klischee, sondern eine Notwendigkeit. Die Technologien und Anforderungen entwickeln sich ständig weiter – und nur, wer bereit ist, sich anzupassen, wird langfristig erfolgreich sein. Ihr habt jetzt das Fundament gelegt, aber es gibt noch viel zu entdecken und zu lernen.“ Besonders in Zeiten des Fachkräftemangels sei der Beruf des Dachdeckers eine sichere und gefragte Perspektive: „Ihr habt einen Beruf erlernt, der in den kommenden Jahren noch stärker gefragt sein wird. Der demografische Wandel sorgt dafür, dass qualifizierte Handwerker knapper werden – das eröffnet euch viele Möglichkeiten, nicht nur im Lohn, sondern auch in der beruflichen Verantwortung.“

 

Brahmst schloss seine Ansprache mit einem Appell an die jungen Gesellen, stolz auf ihre Leistung zu sein und dem Handwerk treu zu bleiben. „Ihr habt es geschafft und könnt stolz darauf sein. Das Dachdeckerhandwerk bietet euch viele Chancen – nutzt sie, bleibt neugierig und zeigt, was ihr könnt.“

Auch Jürgen Brahmst-Sörensen, Onkel des Obermeisters und selbst seit über 47 Jahren nicht nur im Dachdeckerhandwerk, sondern nicht viel weniger Jahre in Sachen Gesellenprüfung tätig, richtete einige Worte an die Anwesenden. Mit Geschichten aus seiner langjährigen Berufserfahrung gab er den jungen Gesellen nicht nur einen Einblick in die Veränderungen des Handwerks, sondern ermunterte sie auch, dem Beruf treu zu bleiben. „Bleibt mit Leidenschaft dabei, denn das Dachdeckerhandwerk hat viel zu bieten – heute mehr denn je“, sagte er. Er gab den Gästen einen Einblick in die Gesellenprüfung, auch in die Benotung und wie sich diese in den vergangenen vier Jahrzehnten verändert hätte. „Auch die Prüfungen haben sich an die Komplexität des Berufes angepasst und trägen diesem heute Rechnung.“ Bis in die 50er/60er Jahre hinein wurde noch „direkt auf dem Bau die Gesellenprüfung abgenommen, meist waren die Azubis nicht älter als 14 bis 16 Jahre alt. Viele Jahre später ging es dann für die Azubis in eine Fachschule in Zeven mit einem Model-Hof bis es heute die Prüfung ins hochmoderne TZH in Stade geschafft hat.“ Auch diese Entwicklung spiegelt die Komplexität des Berufes wider, der mit immer mehr Teilbereichen erweitert wurde. „Ich schätze mal, dass keiner von Ihnen müde werden wird, von immer neuen Entwicklungen und Technologien in unserem schönen Handwerk,“ und ermutigte die Absolvent*innen, dies immer als Chance zu sehen.

Auch Jan-Torge Deden von der Firma Fittschen Bedachungen stieß seine Worte in diese Kerbe. „Energiewende, Klimaschutz und Nachhaltigkeit geht nur mit uns Dachdeckern. Wir sind ein entscheidendes Rad am Wagen, ohne das kein weiterkommen möglich sein wird.“ Die Absolvent*innen sollten sich darauf einstellen, dies weniger als Bepinselung sondern als Verantwortung zu nehmen, in die man sicherlich hineinwachsen muss. „Sie schaffen das, wenn Sie Ihren Beruf als Berufung und nicht als Status Quo sehen,“ pflichtete er ihnen bei.

 

Als Mitglied des Prüfungsausschusses lobte er die praktischen Leistungen der Prüflinge. Besonders betonte er die Qualität der Arbeiten bei den anspruchsvollen Aufgaben wie der Dachziegeleindeckung und Fassadenverkleidung. „Es ist beachtlich, dass alle sechs Prüflinge im praktischen Teil erfolgreich waren. Das zeigt, wie gut die Ausbildung in unserem Handwerk ist“, so Deden. Zudem wies er auf die wichtige Rolle des Handwerks im Zusammenhang mit der Energiewende hin: „Ob bei der Sanierung älterer Gebäude oder der Installation von Photovoltaikanlagen – das Dachdeckerhandwerk spielt eine entscheidende Rolle in der Zukunft.“

Bei der Übergabe der Gesellenbriefe hoben die Offiziellen die Leistungen von Tom Felix Holst besonders hervor. Als Innungsbester bekam er zudem ein kleines Präsent überreicht. Der Junghandwerker freute sich als leidenschaftlicher Sportschütze über eine Dartpistole und kulinarische Köstlichkeiten.

 

Nachdem alle Absolventen nicht nur ihr Zertifikat der Zukunft in den Händen halten durften, sondern auch als – ein Stück vom Glück -traditionell Ziegelstaub auf die Wangen gestrichen bekommen haben, endete die Freisprechung mit großem Applaus. Für die neuen Gesell*innen beginnt nun ein neuer Abschnitt im Berufsleben, voller Chancen und Herausforderungen. Der Beruf des Dachdeckers bleibt nicht nur gefragt, sondern bietet auch eine sichere Perspektive in einer Zeit, in der qualifizierte Handwerker immer wichtiger werden.

 

Neben Tom Holst und Laura Ehlert tritt auch Marian Fischen in die Fußstapfen vorheriger familiärer Generationen. Der junge Dachdeckergeselle hat im elterlichen Betrieb gelernt und ebnet mit seinem Gesellenbrief den Weg die Zukunft des Handwerksbetriebes. Gleich drei Absolvent*innen von insgesamt fünf in diesem Jahr, zeigen, wie Handwerk im Blut zu der eigenen Erfolgsgeschichte werden kann.

Ein Stück vom Glück: Marian Fittschen beim traditionellen Ziegelstaub-Bemalen.

„Familientradition trifft Zukunftsvision: Dachdecker im Blut und Meistertitel im Blick“

Tom Felix Holst, 19 Jahre alt aus Horneburg, frisch gebackener Dachdeckergeselle bei Fittschen Bedachung und Sprössling von Holst Dachdecker in Horneburg, hat eine klare Vorstellung von seiner Zukunft. Dachdecker-Luft geschnuppert hat Tom bereits als kleiner Knirps: „Der Betrieb war auch mein Spielplatz und dann schnell der erste Ferienjob.“ Nach dem Abschluss seiner Realschule stand für ihn fest, „Das war einfach genau das, was ich machen wollte“, erzählt er. Nun, nach erfolgreicher Prüfung, hat er bereits konkrete Pläne: „Ich arbeite jetzt erst zwei Jahre als Geselle und gehe dann auf die Meisterschule in St. Andreasberg.“

 

Der junge Handwerker kommt aus einer Familie mit handwerklichen Wurzeln. Die Firma seines Vaters, Holst Dachdecker, spielt dabei eine besondere Rolle. Wenn er in die Zukunft blickt, sieht er sich möglicherweise als Nachfolger in der Firma: „Wahrscheinlich als Geschäftsführer – mit Frau und Kindern,“ sagt er mit einem Lächeln.

 

Sollte er eines Tages den Betrieb übernehmen, würde er vor allem eines beibehalten: „Ich würde darauf achten, dass es familiär bleibt. Das ist uns wichtig.“ Mit etwa 20 Mitarbeitern ist das Unternehmen gut aufgestellt, und auch der Nachwuchs ist gesichert: „Wir haben jedes Jahr ca. zwei Lehrlinge.“

 

Besonders gern arbeitet Tom Felix Holst mit Blech. „Kleinteilige, komplizierte Blecharbeiten, bei denen man wirklich nachdenken muss, das liegt mir“, erklärt er. Sein Beruf ist für ihn mehr als nur Arbeit – er beschreibt ihn mit den Worten „vielseitig, herausfordernd und spannend“. Auf die Frage, warum man Dachdecker werden sollte, hat er eine klare Antwort: „Dachdecker haben mehr Spaß! Wir arbeiten mit viel mehr verschiedenen Materialien und haben viel Abwechslung.“ Auch das Thema Nachhaltigkeit ist ihm wichtig. Das Unternehmen hat einen eigenen Elektromeister, der Photovoltaikanlagen installiert, was den Betrieb für die Zukunft rüstet. „Wir können komplette PV-Anlagen anbieten – das ist echt cool“, sagt er.

 

Mit seiner Begeisterung für das Handwerk und seinem klaren Ziel vor Augen wird Tom Felix Holst sicherlich seinen Weg im Dachdeckerhandwerk finden.

 

 

Betriebsnachfolgerin #2

„Tradition trifft Tatkraft: Wie Laura Ehlert das Handwerk für Frauen stärken will“

Laura Ehlert, 22 Jahre alt aus Vierden, (Ausbildungsbetrieb Fittschen Bedachung und Reetdachdecker Heiko Ehlert) hat sich entschieden, als Dachdeckerin im Familienbetrieb ihres Vaters zu arbeiten. Ursprünglich hatte sie andere Pläne: „Ich wollte eigentlich mein Abitur machen, es kam aber anders als gedacht“, schmunzelt sie. Kurzerhand fing sie im Betrieb ihres Vaters an, während sie nebenbei eine Lizenz als Ernährungsberaterin erwarb. Doch die Arbeit im Handwerk gefiel ihr besser, und so entschied sie sich, die Ausbildung zur Dachdeckerin zu machen.

 

Schon als Kind war Laura oft im Betrieb ihres Vaters und Großvaters dabei, und früh half sie bei kleineren Aufgaben mit. Jetzt, nach erfolgreicher Gesellenprüfung, bleibt sie vorerst als Gesellin im Familienbetrieb. „Ich arbeite erst mal weiter bei meinem Papa. Er lässt mich langsam an alles heran, und je nachdem, wie es läuft, könnte auch der Meistertitel noch ein Thema werden“, sagt sie.

 

Besonders schätzt Laura die Vielseitigkeit ihres Berufs: „Es ist alles Handarbeit, und wir arbeiten im Reetdach mit sehr wenigen Maschinen – vielleicht mal eine Kettensäge oder einen Akkuschrauber, aber das war’s.“ Das, was ihr am meisten Freude bereitet, ist die Abwechslung: „Wir können fast alles ab einer gewissen Dachneigung eindecken.“

 

Als Frau im Dachdeckerhandwerk hat Laura schon einige Hürden erlebt. „Anfangs dachte ich, das wird schon kein Problem. Auf der Baustelle kamen dann doch Alltagsprobleme auf: „Es sollte auf jeder Baustelle, egal welcher Standort für alle Handwerker*innen möglich sein seine Grundbedürfnisse in einem humanen Umfeld nachgehen zu können,“ dabei verwies sie auf die manchmal fehlenden sanitären Einrichtungen. „Es gibt Baustellen, da gibt es nicht mal Handwaschmöglichkeiten. Das ist einfach schwierig, besonders als Frau.“ Umstände, die sie als Visionärin im Blick hat und sicherlich für die Zukunft angehen wird.  Ihr Erfindergeist ist geweckt, sowie ihr Wunsch nach Gleichberechtigung und Kommunikation auf Augenhöhe „In typischen Männerberufen muss sich mein Umfeld erstmal daran gewöhnen, mir klare Kante zu zeigen und mich als Frau in Sachen Kritik nicht zu schonen – ob berechtigt oder nicht.“ Auch hierfür wird Laura sicherlich einen guten Weg finden, den Familienbetrieb mit Mann und Frau weiterzuentwickeln und einen guten Nährboden für kommende Fachkräfte zu ebnen.

 

„Der Kundenkontakt macht mir Spaß. Oft bleiben neugierige Leute stehen, und ich erkläre ihnen gerne, was wir da machen.“ In die Zukunft blickt Laura offen. Mit 35 Jahren könnte sie sich vorstellen, mehr Verantwortung im Familienbetrieb zu übernehmen. „Vielleicht arbeite ich dann mehr im Büro und kümmere mich um Kundenbesuche. Ganz so viel Lust auf Büroarbeit habe ich zwar nicht, aber das gehört eben dazu“, sagt sie lachend.

 

Für sie ist klar: Dachdeckerin zu sein, ist nicht nur ein Job, sondern eine Berufung. „Es ist ein sehr altes Handwerk und alles echte Handarbeit. Das macht den Beruf für mich so besonders“, sagt sie. Und auch wenn sie noch nicht weiß, wohin ihr Weg genau führen wird, ist eins sicher: „Handwerk liegt mir im Blut.“

Betriebsnachfolger #3

Technisches Interesse trifft auf handwerkliches Geschick. Betriebssprössling lässt sich viele Wege offen.

Marian Fittschen,  21 Jahre alt, Sauensiek, Fittschen Bedachungen, Sauensiek 

„Ich bin mit dem Handwerk groß geworden, auch wenn ich mich hier und da – sogar in der IT – umgesehen habe, hat mich mein familiäres Zuhause vorerst beruflich nach Hause geholt,“ erklärt Marian seinen Weg ins Dachdecker-Handwerk. Auch wenn er nun als glücklicher Geselle weiterarbeiten wird, zieht es ihn nochmals in die weite Welt. „Ein paar Monate Work and Travel in Neuseeland um den Horizont zu erweitern, Erfahrungen zu sammeln und zu wachsen.“ Ob er fest in die Fußstapfen seiner Eltern treten wird, möchte er noch nicht zusagen, was er aber weiß ist, „Frau, Kinder, Eigenheim und ein Job mit Verantwortung für die Zukunft. Ob im Handwerk oder woanders, da lege ich mich noch nicht fest.“ Fürs Festlegen hat er noch genug Zeit, fest steht mit Gesellenbrief in der Tasche stehen ihm seine Wege alle offen. 

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Kreishandwerkerschaft Stade

Authorin: Kim Katharina Koch, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit

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