Von Zunft und Zukunft: Acht neue Dachdeckergesellen für den Landkreis Stade.

Stade, 8. September 2023. Der „Hosteiner Cox“ im Gasthaus „Zur Einkehr“ ist bis auf den letzten Stuhl besetzt. „Sie haben vor drei Jahren eine richtig gute Entscheidung getroffen“, sagt Jürgen Brahmst-Sörensen, der in viele stolze Gesichter blickt. Absolventen, dessen Familien, Kollegen und Ausbilder sind an diesem Freitagabend zusammengekommen, um „Ihnen symbolisch auf die Schulter zu klopfen: Das haben Sie gut gemacht.“ Besonders gut haben drei der Dachdeckergesellen ihre Prüfung bestanden. Allen voran Sönke Eckhoff vom Dachdeckerbetrieb Jens Löhden Ahlerstedt. Mit Anfang 30 entschied sich Sönke den Stift fallen zu lassen und die Ärmel hochzukrempeln: „Ich brauchte mehr Bewegung in meinem Leben und zu sehen, was man mit den eigenen Händen baut und erschafft, erfüllt ein mit sehr viel stolz und Selbstwert,“ beschreibt er seinen Schritt ins Handwerk. Selbstwert gibt auch die traditionelle Dachdecker-Kleidung, über die Obermeister Andreas Brahmst kurz referierte: „Dächer zu decken – das ist eines der ältesten Handwerke unserer Zeit – und Dächer wird es immer geben, seien Sie sich sicher um Ihren Beruf, zeigen Sie ihn stolz und lernen Sie ihren Beruf auch in seiner Geschichte besser kennen.“ Doch er macht auch den Schritt ins hier und heute: „Künstliche Intelligenzen, Digitalisierung, Robotik? Das kann einiges,“ was diese aber alle nicht hätten, wäre ein echtes Bauch- und menschliches Fingerspitzengefühl. Es brauche auch ein Feeling für Material und Menschen.  „Verlassen Sie sich also nicht auf eine KI, aber nutzen Sie sie, denn hier gibt es viele Möglichkeiten, Arbeitsabläufe so zu optimieren und zu verschlanken,“ motiviert Brahmst und resümiert: „Das wird ein Baustein gegen den Arbeitskräftemangel sein.“

Ziegelstaub für eine das kleine Quäntchen Glück.

Glück wünscht man nicht oft, lieber Erfolg, doch wie das Leben manchmal so spielt: „Kann ein bisschen Glück nicht schaden, und wenn es vor Ihren Füßen liegt, vergessen Sie nicht, es auch aufzuheben,“ beschreibt Andreas Brahmst die Einfügung der neuen Tradition bei der diesjährigen Freisprechung, und streicht jedem Absolventen nach Übergabe des Gesellenbriefes ein wenig Ziegelstaub auf die Wange. Als Inspiration dienten die Handwerkskollegen der Maler, die die Absolventen mit einem kleinen Farbklecks im Gesicht ins turbulente Gesellenarbeitsleben entlassen.

Gruppenbild: Absolventen eingerahmt von links:  Gesellenbeisitzer Peter Brand, stellv. Lehrlingswart Jürgen Brahmst-Sörensen und rechts Obermeister Andreas Brahmst.

Drei Innungsbeste mit über 80% in der Gesellenprüfung.

Die Weltreise musste warten: Aus Versehen in die Ausbildung gestolpert

#3 Linus Miesner, Reetdachtechnik, 21, Sittensen, Heiko Ehlert Vierden/Ramshausen und Fitschen Bedachungen,  Sauensiek, erweiterter Realschulabschluss.

Linus hatte 2020 ganz andere Pläne: „Ich wollte auf Weltreise gehen, naja, und dann kam Corona.“ Da er schon vorher in seinem Ausbildungsbetrieb gejobbt hat, kam der Ausbildungsplatz dann ungeplant aber „erstmal eine sehr gute Alternative.“ Die Idee, hochhoben auf Dächern seinen Arbeitsalltag zu beschreiten, kommt bei Linus nicht von ungefähr: „Mein Bruder ist Zimmerermeister, mein Vater Tischler,“ erzählt Linus. Speziell für das Reet decken benötige man „Kreativität, Feingefühl und Übung.“ Wenn das Dach dann gedeckt ist, sei es „ein gutes Gefühl zu sehen, was man geschafft hat und das Feedback der Kunden macht einen stolz und zufrieden.“ Bevor es weiter als Dachdeckergeselle geht, holt Linus seine Weltreise nach und startet Oldschool als Tramper von zuhause aus ins zeitweilige Globetrotter Leben.

Sillsitzen adé – Auspowern here i come: Wenn das Studium vom Handwerk abgelöst wird.

#2 Moibi Allagbe, Dachdeckungstechnik, 24, Bargstedt, Tobias Holst Dachdecker, Fachabitur

„Ich habe verzweifelt versucht zu studieren,“ schmunzelt Moibi und lacht dabei. Soziale Arbeit war dann doch nichts für ihn „Ich brauche mehr Bewegung, ich muss mich auspowern, ich muss aktiv was tun,“ deshalb habe er sich für Handwerk entschieden und bereute seine Entscheidung keine Sekunde. Er sieht seinen Schritt ins Handwerk als einen der ersten, dem noch viele folgen werden. „Hier ist für mich noch nicht Schluss. Jetzt werde ich Erfahrungen sammeln, aber den Blick Richtung Meisterbrief oder doch nochmal ein branchennahes Studium angehen.“ Dürfte er in die Glaskugel schauen, wünsche er sich: „Haus, Kinder, Familie – und jeden Tag das Gefühl zu haben, zufrieden ins Bett zu fallen.“ Mit dem Gesellenbrief in der Hand Träume, die mit großer Wahrscheinlichkeit in Erfüllung gehen werden.

 

 

Es geht auch andersrum: Wenn Mut mit Glücklich sein belohnt wird: Von der Industrie ins Handwerk gewechselt

#1 Sönke Eckhoff, Dachdeckungstechnik, 35 Jahre alt, Ahlerstedt, Jens Löhden Dachdecker Ahlerstedt

„Ich war unglücklich ich meinem alten Job,“ resümiert Sönke kurz und knapp auf die Frage, wie man mit Mitte 30 zum Gesellenbrief kommt. Nach einiger Zeit als Dachdecker-Praktikant wusste er: „Ich hatte noch keine großen privaten Verpflichtungen und da hat das für mich nochmal ganz gut reingepasst.“ Von einem landwirtschaftlichen Familienbetrieb kommend, mit einem Tischler und einer Floristin als Geschwister im Gepäck, wusste Sönke was auf ihn zukommt, wenn man ins Handwerk geht und sagt: „Es macht einfach Spaß. Es ist jeden Tag was anderes, es ist cool mit den Leuten im Team und den Kunden und es ist draußen unter freiem Himmel.“ Sönkes Mut wurde belohnt, er schloss seine Ausbildung als Innungsbester ab. Jetzt freut er sich auf die Arbeit und was die Zukunft noch für ihn bereithält – das Zertifikat zum Glücklichsein hält er schonmal in seinen Händen.

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Kreishandwerkerschaft Stade

Authorin: Kim Katharina Koch, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit

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